Fußballer nach dem Karriereende: Willkommen in der Nachspielzeit!
Heute umjubelter Star, morgen weg vom Fenster - ein Schicksal, dem sich die meisten Fußballprofis nach dem Karriereende wohl oder übel stellen müssen. Doch welche beruflichen Möglichkeiten bieten sich den ehemaligen Helden in Stollenschuhen, wenn der Ball nicht mehr rollt?
Wer Woche um Woche vor Tausenden mehr oder weniger leidenschaftlichen Menschen Fußball spielt, den kann so leicht nichts aus der Ruhe bringen – außer vielleicht gelegentliche Schiedsrichterfehlentscheidungen, Abstiegssorgen oder Straftrainingseinheiten bei Felix „Medizinball“ Magath. Eine Sache gibt es da aber doch, die selbst den härtesten Innenverteidigern den Schlaf rauben kann: das Karriereende – und die Zeit danach.
Die Arbeit als Fußballprofi gilt gemeinhin als Traumjob. Der Wermutstropfen ist die Aussicht darauf, im beruflichen Umfeld mit Mitte, spätestens Ende 30 zum alten Eisen zu gehören. Wie schwer ist es aber für ehemalige Fußballer, in einen anderen, „normalen“ Job zu wechseln? Drohen Hartz IV und sozialer Abstieg oder ist ein Neuanfang heutzutage kein Problem mehr – sozusagen „super-super-easy“?
Manch einer glaubt, dass ein paar Jahre kicken schon ausreicht, um für den Rest des Lebens von den angesparten Millionen in Saus und Braus leben zu können. Doch diese Annahme gehört in den allermeisten Fällen ins Reich der Märchen. Die überwältigende Mehrheit der Spieler muss nach dem Karriereende einer alternativen Beschäftigung nachgehen – oft sogar sofort. Wie aber kann eine solche Tätigkeit aussehen? Werden alle ehemaligen Fußballspieler ganz einfach zu Trainern, Sportdirektoren, TV-Experten & Co?
„Das Leben fängt an, wo Fußball aufhört.“ (Günter Netzer)
Sagen wir so: Eine Anschlusskarriere im Profifußball-Fach ist zumindest nicht kategorisch ausgeschlossen. Torwart-Titan a. D. Oliver Kahn beispielsweise zeigt heute als Fußballexperte des ZDF regelmäßig souveräne Leistungen. Dasselbe tut beim Nachbarsender ARD Kahns ehemaliger Teamkamerad Mehmet Scholl. Und beim sonntäglichen „Doppelpass“ des Privatsenders Sport1 diskutieren regelmäßig ganze Mannschaften ehemaliger Fußballprofis die Aufs und Abs des Ligabetriebs. Auch die Trainerbänke und die Posten der Fußballfunktionäre sind in der Regel von Ex-Kickern besetzt: Klaus Allofs, Andre Breitenreiter, Horst Heldt, Bruno Hübner, Thomas Linke, Dirk Schuster, Viktor Skripnik, Markus Weinzierl – alles ehemalige Profis, die dem Fußballgeschäft auf die eine oder andere Art erhalten geblieben sind.
Und trotzdem: Da es in den drei deutschen Profiligen rund 1.400 Fußballprofis gibt, können unmöglich alle TV-Experten, Trainer, Co-Trainer oder Spielerberater werden. Ganz davon abgesehen, dass dafür natürlich längst nicht jeder die entsprechende Eignung mitbringt.
Spielmacher im Weinberg, Vorstopper im Blumenladen
Tatsache ist, dass es durchaus ehemalige Profis gibt, die nach ihrem Karriereende in finanzielle Nöte geraten. Beispielhaft sei nur Ex-Nationaltorhüter Eike Immel genannt, der sich mit windigen Bauherrenmodellen und anderen Eskapaden finanziell ins Abseits beförderte. 2008 musste der ehemalige Keeper sogar ins RTL-Dschungelcamp einziehen, um seine Schulden begleichen zu können.
Den Großteil der ehemaligen Spieler hat es glücklicherweise so hart nicht getroffen. Die meisten gehen heute durchaus bodenständigen Berufen nach, die mit Fußball rein gar nichts zu tun haben. Sie aufzuspüren, hat sich Thorsten Schaar zur Aufgabe gemacht. Der Sportjournalist aus Düsseldorf rief im vergangenen Jahr das Twitter-Projekt „Wo sind sie jetzt?“ ins Leben. Darüber versorgt Schaar seine Follower mit Kurzinfos zum beruflichen Verbleib der ehemaligen Kicker. Unter #Exprofis finden sich zwar auch immer wieder Trainer, Spielerberater und Fußballmanager, aber eben auch Estrichleger (Roland Wohlfarth), Bäckereiketten-Filialleiter (Artur Wichniarek), Gebrauchtwagenhändler (Fabian Ernst), Paketboten (Nico Patschinski), Winzer (Johan Micoud), Lehramtsstudenten (Tobias Rau), Blumenhändler (Norbert Eder), Soccerhallen-Betreiber (Frank Pagelsdorf) und viele, viele mehr.
Ob Links- oder Rechtsfuß: Hauptsache, zweites Standbein!
Es mag selbstverständlich klingen, doch am besten aufgestellt für die berufliche Karriere sind auch Fußballer dann, wenn sie eine gute Ausbildung vorweisen können. Da Profis gegenwärtig immer früher in den Berufsfußball einsteigen, sind sie also gut beraten, wenn sie sich rechtzeitig ein zweites Standbein schaffen. Das Problem: Noch immer vernachlässigen viele die Vorbereitung auf ihre nachfußballerische Laufbahn. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Tendenzstudie, die unter Profis der Bundesliga, der 2. Bundesliga und der 3. Liga durchgeführt wurde. Erhoben wurden die Daten gemeinschaftlich vom ISS Institut für Sportmanagement der Hochschule Koblenz und der Spielergewerkschaft VDV (Vereinigung der Vertragsfußballspieler).[1]
Der Studie zufolge haben gerade einmal 15 Prozent der derzeit aktiven Spieler eine Berufsausbildung oder ein Hochschulstudium abgeschlossen. Ergeben hat die Analyse außerdem, dass die meisten Spieler auch später im Fußballgeschäft arbeiten möchten – bevorzugt als Trainer, Sportdirektor oder Spielervermittler. Die Hälfte der Befragten vertritt übrigens dabei die Meinung, dass ihre bereits erworbenen Qualifikationen zur Realisierung ihrer Zukunftspläne schon ausreichen werden. Bleibt zu hoffen, dass es für diese Spieler nicht früher oder später ein böses Erwachen gibt.
[1] Quelle: http://bit.ly/1J4qCqw
Sicher ist jedenfalls, dass den jungen Profis heutzutage Bildungs- und Beratungsangebote offenstehen, von denen ihre Kollegen aus vergangenen Jahrzehnten nur träumen konnten: Denn die VDV bietet ihren Mitgliedern individuelle Beratungen rund um die Planung der beruflichen Laufbahn an, erstellt Potenzialanalysen und informiert über Berufsbilder, Bildungswege und Fördermöglichkeiten. Außerdem hat die Gewerkschaft in Kooperation mit verschiedenen Hochschulen flexible Fernstudienoptionen geschaffen. Damit ist es den Profis sogar möglich, Uni-Klausuren ganz bequem an spielfreien Tagen zu schreiben.
Die Chancen, sich den neuen Traumjob zu sichern, sind also durchaus vorhanden – es gilt nur, sie zu nutzen. Insofern wenigstens scheinen sich die Karrierewege von Ex-Fußballern und gewöhnlichen Arbeitnehmern gar nicht so sehr zu unterscheiden.