Urlaubskiller: bei Anruf Arbeit
Urlaubszeit ist Erholungszeit? Mitnichten! In der Realität lässt der Job viele Arbeitnehmer auch auf der Sonnenliege nicht los – zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie. Kann das auf Dauer gesund sein? Und sind Arbeitnehmer laut Urlaubsrecht überhaupt dazu verpflichtet, in den Ferien zu arbeiten?
Endlich Urlaub – jetzt schnell raus aus dem Büro und rein ins Vergnügen! Wenn die Ferien nahen, wünschen sich viele nichts sehnlicher, als einfach ein paar Tage abzuschalten, ohne das Notebook einschalten zu müssen. Doch genau diese Freiheit gönnen sich viele Beschäftigte selbst während ihrer freien Tage nicht. Wie eine aktuelle Studie der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) ergab, nimmt rund ein Sechstel aller Beschäftigten zumindest gelegentlich Arbeit mit in den Urlaub, um berufliche Aufgaben in Ruhe erledigen zu können. Auch dienstliche Kontakte sind für zahlreiche Arbeitnehmer im Urlaub keine Seltenheit. Immerhin ein Viertel aller Befragten wird vereinzelt in den Ferien vom Chef, von Kollegen oder von Kunden kontaktiert. Wo liegt noch mal die Akte zum Fall Müller gegen Schmidt? Sind die fehlenden Zahlen schon in die Jahresbilanz eingearbeitet (warum nicht)? Und könnten Sie dem Kunden das Angebot bitte noch schnell aufs Fax legen?
Wer sich im Urlaub mit solchen Fragen beschäftigt, darf sich nicht wundern, wenn die Erholung auf der Strecke bleibt. Trotz allem fühlt sich ein Großteil aller Beschäftigten laut DGUV-Studie nur gering belastet, wenn die Arbeit den Weg in den Urlaub findet. Als Motive dafür, auch in ihrer Freizeit beruflichen Tätigkeiten nachzukommen, nennen die Befragten größtenteils Pflichtgefühl oder das Anstehen unaufschiebbarer Aufgaben. Das ist „vorbildlich“. Trotzdem: Ganz freiwillig scheint der Griff zu Laptop und Smartphone nicht zu sein. Denn mehr als zehn Prozent räumen auch ein, dass sie nicht aus reinem Pflichtbewusstsein E-Mails checken und Anrufe entgegennehmen – sondern deshalb, weil Arbeitgeber, Kunden und Kollegen es von ihnen erwarten. Einfach mal loslassen? Es scheint so, als hätten viele Arbeitnehmer das längst verlernt.
Lieber Flugticket als Krankenschein
Müßig zu erwähnen, dass die oben genannten Entwicklungen dem eigentlichen Zweck des Urlaubs – der Entspannung und des Ruhens nämlich – zuwiderlaufen. Wer es versäumt, sich hin und wieder auszuruhen, riskiert sogar seine Gesundheit. Zwar fühlt sich laut DGUV-Studie nur ein Siebtel derjenigen, die im Urlaub an die Arbeit denken, stark davon belastet, doch über ein Drittel dieser Befragten brachte damit ernste Symptome wie starke Unruhe, Rückenschmerzen oder Schlafstörungen in Zusammenhang.
Aus dieser Perspektive betrachtet, hilft die ständige Erreichbarkeit weder dem Arbeitnehmer noch dem Unternehmen. „Abgesehen davon, dass Arbeitnehmer einen durch das Urlaubsrecht zugesicherten gesetzlichen Urlaubsanspruch genießen, braucht jeder Mensch auch einmal Pausen, um seine Arbeitsfähigkeit langfristig aufrechterhalten zu können“, sagt Orizon-Expertin Julia Schwarz. Wenn Regenerationsphasen trotz dieses Urlaubsanspruchs nicht mehr möglich sind, nimmt auch das Risiko zu, dass stressbedingte Krankheiten entstehen. Davon hat am Ende niemand etwas. Denn wenn ein Mitarbeiter mit einer schweren Erkrankung wie etwa einem Burn-out oder einem Herz-Kreislauf-Leiden ausfällt, kann das das Unternehmen am Ende sehr teuer zu stehen kommen.
„Arbeitnehmer sollten den ihnen zustehenden gesetzlichen Urlaubsanspruch ausnutzen, ohne dabei ständig ins E-Mail-Postfach zu schielen“, so Orizon-Expertin Julia Schwarz. „Wie viele Tage Urlaub dem Mitarbeiter zustehen, ist durch den Arbeitsvertrag geregelt. Der Mindestanspruch liegt bei 20 beziehungsweise 24 Werktagen pro Jahr. Wie es mit dem Urlaubsanspruch in Teilzeit aussieht, hängt davon ab, welche Vereinbarungen über die Arbeitszeit im Einzelfall getroffen wurden.“
Einfach mal abschalten – so will es das Gesetz
Apropos gesetzlicher Urlaubsanspruch: Was sagt eigentlich das Arbeitsrecht zum Thema Urlaub und Arbeit? Zum einen sagt es relativ eindeutig, dass der Vorgesetzte es zu unterlassen hat, seinen im Urlaub befindlichen Mitarbeitern nachzutelefonieren oder sie mit E-Mails zu bombardieren. Ohnehin ist der Arbeitnehmer nicht dazu verpflichtet, in seiner Urlaubszeit erreichbar zu sein. Dies hat auch das Bundesarbeitsgericht in verschiedenen Urteilen bestätigt. [1]Doch keine Regel ohne Ausnahme: „Wenn das Problem, das der Urlauber lösen muss, für das Unternehmen existenzbedrohliche Ausmaße hat, darf er kontaktiert und unter Umständen sogar aus dem Urlaub zurückgeholt werden“, so Orizon-Expertin Julia Schwarz.
Zum anderen sagt das Urlaubsgesetz eindeutig, dass der Arbeitgeber bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs ausdrücklich die Wünsche der Arbeitnehmer zu berücksichtigen hat. [2] Verweigern darf er ihn, wenn dringende betriebliche Belange den Urlaub im gewünschten Zeitraum unmöglich machen. Der Finanzbuchhalter eines großen Wirtschaftsunternehmens beispielsweise sollte besser nicht damit rechnen, sich während der Zeit des Jahresabschlusses entspannt ein paar Tage freinehmen zu können.
Selbstverständlich kann der Arbeitnehmer auch selbst dazu beitragen, dass sein Urlaub so erholsam wie möglich wird. „Detaillierte und rechtzeitige Übergaben sind ein probates Mittel“, weiß Orizon-Expertin Julia Schwarz. „Wichtige Vorbereitungen sollten im Idealfall nicht erst am letzten Arbeitstag getroffen werden. Das Beste ist, sich mit den vertretenden Kollegen zusammenzusetzen und in aller Ruhe zu klären, ob es Fragen gibt. Wenn Unklarheiten von Beginn an aus dem Weg geräumt sind, tritt sich der Urlaub auch gleich viel entspannter an.“
[1] Quelle: http://www.heise.de/resale/artikel/Arbeiten-im-Urlaub-1337149.html
[2] Quelle: http://www.gesetze-im-internet.de/burlg/__7.html